Viele Marken wollen vom Glanz großer Sport-Events und ihrer Stars profitieren. Verkauft wird aber nicht im Stadion, sondern im Handel. Wie lassen sich Markenwerte dort vermitteln? Das Beispiel Nike zeigt: Direktes Erleben fördert eine emotionale Bindung.
Sport und Emotionen gehören zusammen. Egal, ob wir Top-Athleten zuschauen, mit unserem Team mitfiebern oder selbst Sport treiben – immer sind wir mit unserem ganzen Geist und Körper involviert. Dieses Reservoir an emotionalen Energien ist für das Marketing wertvoll, weshalb viele Marken und Unternehmen den Sport nutzen, um das eigene Image aufzuwerten. Sponsoring von Spitzensportlern, Teams oder Mega-Events gehören dabei genauso zum Repertoire wie Werbung mit Sport-Promis oder anderen sportlichen Motiven.
Dabei gibt es ein Problem: Die glanzvolle Markenwelt rund um Spitzensport und Events wie die Olympiade hat etwas Außeralltägliches, weshalb es schwer ist, sie im normalen Konsumumfeld des Handels widerzuspiegeln. Es gibt ein 'Emotional Gap' – dort die perfekte Markeninszenierung, hier das eher profane Einkaufserlebnis in einem konkreten Geschäft. Mit dieser Herausforderung müssen alle Marken leben. Besonders gilt das aber für explizite Sportmarken. Wie können sie es schaffen, die Aura von Erfolg und Action auch im Laden auf der Fußgängerzone zum Leben zu erwecken?
Große Marken wie Adidas oder Nike haben zu diesem Zweck Flagship-Stores eröffnet. In diesen wird die Marke gefeiert. Alles ist auf ein einheitliches Markenerlebnis abgestimmt – von der Gebäudefassade bis zur Uniform des Verkaufspersonals. Doch solche Stätten des Markenkultes gibt es nur an wenigen Orten, meist in viel besuchte Einkaufsstraßen in den Metropolen. Verkauft werden Produkte aber meist im normalen Einzelhandel, bei dem viele Marken gleichzeitig um die Gunst der Fans konkurrieren. Deshalb ist gerade für Sportmarken Experiential Marketing wichtig – Maßnahmen, die das Live-Erlebnis der Produkte ermöglichen und damit ein emotionales Engagement der Kunden fördern. Das ist mehr als ein einfaches Branding im Geschäft durch Displays, Zweitplatzierungen oder POS-Werbung. So wichtig solche Verkaufsförderungsmaßnahmen sind, im Grunde handelt es sich um Markenerlebnisse aus zweiter Hand.
Ziel sollte es aber sein, ein direktes, unmittelbares Erfahren der Produkte und Marken zu gewährleisten. Wie das aussieht, kann man an der Marke Nike studieren. Eine Tatsache muss man dabei beachten: Sportschuhe – nicht zu verwechseln mit Lifestyle-Sneakern – sind weder reine Modewaren noch Low-Involvement-Produkte. Sie besitzen komplexe Eigenschaften, dienen unterschiedlichen Zwecken, verwenden modernste Technologie und kosten nicht wenig Geld. Es handelt sich also um erklärungsbedürftige Produkte, bei denen es nicht ausreicht, sie einfach nur für die Werbung schön abzufotografieren. Zwei Faktoren sind beim stationären Kauf solcher High-Involvement-Produkte wichtig: die Beratung im Fachhandel und das eigene Ausprobieren. Erfolgreiches Experiential Marketing setzt bei beiden an.
Der moderne Kunde hat bereits im Internet recherchiert und kennt viele Produkteigenschaften, wenn er die Schwelle des Geschäftes überschreitet. Trotzdem sucht und schätzt er in vielen Fällen die Beratung im Fachgeschäft. Der stationäre Handel muss also eine höhere Kompetenz anbieten als früher, um das Recherchetool Internet zu übertreffen. Das bedeutet, dass die Qualität der Beratung der eigentliche USP des Handels ist – egal, ob es komplexe Consumer Electronics oder Sportartikel geht. Deshalb ist für den Fachhandel eine sorgfältige Schulung des Verkaufspersonals wichtig. Die Verkäufer müssen nicht nur die Produktnamen kennen, sondern sie sollen die dahinterstehende Technologie verstehen, etwas über die Stärken und Einsatzmöglichkeiten wissen und im Idealfall selbst eine positive Beziehung zur Marke haben. Solche komplexen Trainingsinhalte lassen sich nicht bei einem Außendienstbesuch zwischen Tür und Angel vermitteln.
Nike entwickelte deshalb die Nike Performance Roadshow, bei der umgebaute Reisemobile zum Einsatz kamen, in dem die Verkäufer vor Ort für 45 Minuten in den Markenkosmos abtauchen konnten. Für diese kurze (im geschäftigen Verkaufsalltag aber durchaus als lang empfundene) Zeit verließen die Verkäufer ihre gewohnte Arbeitsumgebung und begaben sich auf einen Ausflug in eine Welt der Emotionen. Hier wurden nicht nur Informationen über die Schuhe vermittelt, sondern es bestand die Chance, das Personal für die Markenwerte von Nike zu begeistern. Im Rahmen dieser Aktion wurden rund 3.500 Personen geschult. Sie geben diese Faszination im Idealfall weiter an ihre Kunden – und werden so zu Markenbotschaftern.
Ein anderes Mittel, um das Kundenerlebnis direkter und emotionaler zu gestalten, sind sogenannte TryOuts: Der Kunde probiert die Produkte selbst aus und kann dadurch prüfen, welches für seine individuellen Bedürfnisse und sportlichen Ziele am geeignetsten ist. Damit ist nicht das bloße Anprobieren im Laden gemeint, das weit weg ist von der eigentlichen sportlichen Erfahrung. Deshalb gehen Sportmarken dorthin, wo die Fans aktiv sind. Solche Points of Interest sind zum Beispiel die Trainingsplätze von Sportvereinen, aber auch informelle Treffpunkte wie städtische Laufstrecken (Parks, Flussufer etc.). Es wird nicht gewartet, bis der Kunde zum Produkt (also in den Laden) kommt, sondern die Marke sucht proaktiv die potenziellen Käufer.
Nike setzte bei seiner Bootfinder Tour wieder eigene Fahrzeuge ein, mit denen geschultes Personal zu den Points of Interest fuhr und dort eine Palette der Produkte zum Ausprobieren anbot. In den vergangenen Jahren wurden so 600 solcher Orte besucht. So konnten zum Beispiel Jogger verschiedene Schuhe genau dort ausprobieren, wo sie normalerweise laufen. Das Testen im realen Umfeld, zusammen mit der fachlichen Beratung und dem Corporate Design der Vans, ermöglichte eine direkte und emotionale Erfahrung der Produktstärken. Das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der Sportler demonstriert eine hohe Wertschätzung. Das fördert nicht nur den Abverkauf der Schuhe, sondern gleichzeitig eine langfristige emotionale Kundenbeziehung.
Gerade weil der Online-Handel immer weiter zunimmt, muss der stationäre Handel sich auf seine Stärken besinnen. Die Beispiele zeigen, dass es eine Fülle von Maßnahmen und Techniken gibt, mit denen Marken und ihre Produkte im realen Leben erfahrbar gemacht werden können. Marken müssen dort ihre emotionale Strahlkraft entfalten, wo sie genutzt und gekauft werden.